Oratorio.
Der sehr unterschiedene Wandel und Tod der Gottlosen und Gottsfürchtigen.
von Johann Daniel Pucklitz (1747)
Erster Teil
Sinfonia (Allegro, Andante, Presto)
Choral [1. Strophe des Liedes von Heinrich Albert]
Ich bin ja, Herr, in deiner Macht,
Du hast mich an das Licht gebracht,
Du unterhältst mir auch das Leben.
Du kennest meiner Monden Zahl,
weißt, wenn ich diesem Jammertal
auch wieder gute Nacht muss geben.
Wo, wie und wenn ich sterben soll,
Das weißt Du, Vater, mehr als wohl.
[Dictum]
Bass: Es ist der alte Bund: Mensch, du musst sterben! [Sir 14,17]
Rezitativ
Tenor: Ja, recht ein alter Bund.
Dem ersten Paar, das Gottes Hand erbauet,
dem Er sein Bildnis anvertrauet,
verkündigte sein Mund,
dass Ihm des reinesten Gehorsams Ehre
für seine Huld gehöre.
Er zeigte ihm des Ungehorsams Früchte,
den Stand des Jammers und der Not.
Allein
es machte selbst sein Wohl zu nichte
und wählete für sich und uns den Tod.
Es kann daher nicht anders sein:
Sopran, Alt, Tenor, Bass: Wir, Kinder, müssen erben
und alle sterben.
Arie
Alt: Niemand ist vom Sterben frei,
jedermann muss sich bequemen,
die Belohnung anzunehmen,
die der Ungehorsam bringt.
Auch die Großen dieser Erden,
deren Macht sonst alles zwingt,
müssen überzeuget werden,
dass es eine Wahrheit sei:
Niemand ist vom Sterben frei.
Choral
Keiner spricht hie von sich frei,
niemand kann dies Urteil brechen,
hier hat keiner, wer er sei,
etwas einzusprechen:
Kann auch Hoheit, Reichtum, Pracht,
Gut und Macht
an den Tod sich rächen?
Nein, es muss die ganze Welt
dieser Satzung sich bequemen,
niemand kann, wenn’s ihm gefällt,
seinen Abschied nehmen.
Du magst wollen oder nicht,
diese Pflicht
kann den Willen zähmen.
Rezitativ
Bass: So groß hierin die Ähnlichkeit
der Menschen bleibt,
so groß ist doch des Mutes Unterscheid,
den sie zum Tode blicken lassen.
Alt: Es weiß sich mancher nicht
für großer Traurigkeit zu fassen,
wenn man vom Sterben spricht.
Bass: Und viele treibet
die bange Furcht zu seufzen und zu klagen.
Man hört sie sagen:
Arioso tutti
Ach! welch ein harter Schluss,
dass Leib und Geist sich trennen muss.
Arie
Bass: Viele sterben nicht mit Lust.
Furcht und Angst durchfährt die Glieder,
Mut und Hoffnung sinkt danieder.
Wenn ein Mensch daran gedencket,
der sein Herz der Freude schenket,
dem ein stetes Wohl bewusst,
und er stirbet nicht mit Lust.
Rezitativ
Tenor: Damit sie diese Bangigkeit vertreiben,
erwählen sie
ein ihnen angenehmes Leben;
ihr Wille ist beständig hier zu bleiben,
sie tun, was ihrem Herzen wohlgefällt,
und sind der Welt
verhasster Eitelkeit ergeben.
Sie denken nie
an Den, der ihre Furcht vermindern kann.
Sie reden sich einander an:
Arie tutti
Auf, lasst uns frei und lustig leben
und allen zu erkennen geben,
wie fröhlich wir die Zeit verbracht!
Wer die Gelegenheit versäumet
und stets von seinem Tode träumet,
derselbe wird von uns verlacht. Da capo
Choral [2 erste Strophen des Liedes von Heinrich Albert]
O! wie mögen wir doch unser Leben,
so der Welt und ihrer Lust ergeben,
und uns selbst scheiden
von der Frommen Ruh’ und tausend Freuden?
Müssen wir nicht auch nach kurzen Jahren
zu den Toten in die Grube fahren?
Es wird geschehen,
dass ein jeder seinen Lohn wird sehen.
Rezitativ
Bass: Wer siehet und verstehet nicht,
dass diese Leute sich
auf ewiglich
das größte Unglück bauen?
Sopran: Sie trennen sich von Gottes Angesicht;
und eben das vermehrt
am Ende ihrer Zeit das Grauen:
Es fährt
ihr Geist in Furcht und Zagen
zur Hölle, an den Ort der Plagen.
Arie
Sopran: Ihr Sterblichen, räumt eure Sinnen
nicht allzu sehr der Freude ein.
Ihr geht, ihr flieht, ihr eilt von hinnen;
die Welt muss euch kein Wohnhaus sein. Da capo
Choral [3. Strophe des Liedes Wer weiß, wie nahe mir mein Ende von Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt]
Alt: Herr, lehr mich stets mein End’ bedenken
und wenn ich einsten sterben muss,
die Seel’ in Jesu Wunden senken
und ja nicht sparen meine Buß’.
Tutti: Mein Gott, ich bitt durch Christi Blut,
machs nur mit meinem Ende gut.
Rezitativ
Bass: Die Marter, Angst und Pein,
in welchen die verdammten Seelen quälen,
die werden unaufhörlich sein.
Sopran: Man kann der Schmerzen Vielheit nicht erzählen.
Tenor: Ein Sklave, der gefesselt liegt,
hat Hoffnung endlich frei zu werden;
darum besingt
er alle Arbeit und Beschwerden.
Allein in Ewigkeit
muss der Verdammten Strafe währen,
so sehr sie auch die Zeit
der Freiheit wünschen und begehren.
Arie tutti
Fallt ein ihr Berge, fallt zusammen,
bedecket uns, erstickt den Geist!
O! mehr als ungeheure Schmerzen,
wie quält und presst ihr unsre Herzen!
O! unaufhörlich heiße Flammen,
wer ist, der uns der Glut entreißt? Da capo
Choral [11. Strophe des Liedes O Ewigkeit, du Donnerwort von Johann Rist]
Solang ein Gott im Himmel lebt
und über alle Welten schwebt,
wird solche Marter währen.
Es wird sie plagen Kält’ und Hitz’,
Angst, Hunger, Schrecken, Feu’r und Blitz,
und sie doch nicht verzehren.
Denn wird sich enden diese Pein,
wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.
Zweiter Teil
Choral [13. und 14. Strophe des Liedes Meinen Jesum lass ich nicht, meine Seel von Johann Friedrich Mayer]
Lass mich doch, mein Jesu, nicht,
wenn es mit mir kommt zum Ende,
wenn mir Sinn und Herze bricht,
Jesu, nimm in deine Hände
meinen Geist, meins LebensLicht.
Meinen Jesum lass ich nicht.
Und des bin ich auch gewiss,
weil mein Jesus mir verheißen,
aus des Todesfinsternis
mich mit starker Hand zu reißen.
Drum auch meine Seele spricht:
Amen, Jesum lass ich nicht.
Rezitativ
Tenor: Sehr merklich ist der Tod
des Gläubigen von jenem unterschieden.
Er ist gelassen und zufrieden
und siehet ihn als etwas an,
das ihm mehr Lust als hierin bringen kann.
Er hält im Glauben
den Heiland, der den Tod um alle Macht
durch seine Kraft gebracht.
Den lässt er sich nicht rauben:
Mit diesem hilft er sich aus aller Not.
Arie duetto
Sopran und Alt: Bewundernswerte Glaubenskraft!
die uns so Trost als Ruhe schafft,
wenn wir das Zeitliche verlassen.
Wenn mancher Geist erschrocken ist,
so freuet sich ein wahrer Christ.
Er kennt sein Heil, er kann sich fassen. Da capo
Choral [1. Strophe des Liedes von Johann Quirsfeld]
O Tod, was willst du schrecken?
Mein Jesus will mich decken,
wenn du mich hast gelegt
hin in den Schoß der Erden;
ich soll lebendig werden,
wenn sich des Herren Geist erregt.
Rezitativ
Bass: Was eines Christen Mut
noch mehr erweckt,
ist, dass ihn eine kurze Zeit
der Staub bedeckt.
Er soll, sobald er ausgeruht,
verklärt aus seinem Grabe brechen;
deswegen pfleget er mit Freudigkeit
von seinem Tode sprechen:
Arie
Bass: Gebet meinen Leib der Gruft.
Meint ihr mich verzagt zu sehen?
Das soll nimmermehr geschehen.
Lass des Leibes Hütte brechen,
das soll meinen Mut nicht schwächen.
Denn ich werde
aus der Erde
mich zum Leben
aufwärts heben,
wenn des Höchsten Stimme ruft.
Darum gebt den Leib der Gruft.
Choral [4. Strophe des Liedes Jesus, meine Zuversicht, Luise Henriette von Oranien zugeschrieben]
Ich bin Fleisch und muss daher
auch einmal zu Aschen werden.
Dieses weiß ich, doch wird Er
mich erwecken aus der Erden,
dass ich in der Herrlichkeit
um Ihn sein mög allezeit.
Rezitativ
Tenor: Wie billig ist die Sterbenslust,
die einen Gläubigen entzücket.
Alt: Er kennt die Seligkeit,
wohin ihn Gottes Huld versetzet.
Bass: Er schmecket die Zufriedenheit,
die den erlösten Geist ergötzet.
Tenor: Ihm ist bewusst,
dass er ein Reich erblicket,
wo man nichts als nur Ruh’ und Friede,
nichts als Vergnügen sieht;
wo kein mit Not umschränktes Leben,
wo sich des Himmels Heer bemüht
in einem neuen Liede,
des Höchsten Güte zu erheben:
+
Choral [4. Strophe des Liedes Alle Menschen müssen sterben von Johann Georg Albinus oder Johann Rosenmüller]
Sopran: Da wird sein das Freudenleben,
da viel Tausend Seelen schon
sind mit Himmelsglanz umgeben,
stehen da für Gottes Thron.
Da die Seraphinen prangen
und das hohe Lied anfangen:
Tutti: Heilig, heilig, heilig heißt
Gott der Vater, Sohn und Geist.
Arie
Sopran: O ewige Wollust! Tenor: O himmlisches Leben!
Alt: O Freude mit keiner Betrübnis vermischt!
Bass: Wer kann wohl die Gnade des Höchsten erheben,
womit Er die Bürger des Himmels erfrischt?
Sopran: Wer kann sie ergründen?
Tenor: Wer weiß sie zu finden?
Bass: Hier bleibet es nach:
Alt: Der Mund ist zu schwach.
Tutti: Dort wollen wir deutliche Abrisse geben.
O ewige Wollust! O himmlisches Leben!
Choral [6. und 7. Strophe des Liedes Alle Menschen müssen sterben von Johann Georg Albinus oder Johann Rosenmüller]
Bass: Ach! Jerusalem, du schöne,
ach! wie helle glänzest du!
Ach! wie lieblich Lobgetöne
hört man da in süßer Ruh’!
O! der großen Freud’ und Wonne
jetzund gehet auf die Sonne!
jetzund gehet an der Tag,
der kein Ende nehmen mag.
Tutti: Ach! ich habe schon erblicket
diese große Herrlichkeit.
Jetzund werd ich schön geschmücket
mit dem weißen Himmelskleid;
und der güldnen Ehrenkrone
stehe da für Gottes Throne,
schaue solche Freude an,
die kein Ende nehmen kann.
Rezitativ
Tenor: Aus solcher Seligkeit,
die dort die Gläubigen erfreut,
nimmt er
die klaresten Beweise her,
wie herzlich Gott die Menschen liebe.
Und diese Liebe macht,
dass er die Eitelkeit verlacht.
Sopran: Er ist bereit,
des Höchsten Wort und Willen
aus allen Kräften zu erfüllen.
Er sieht die Lust der Welt,
die manchen Geist gefesselt hält,
als etwas an,
so keine Dauer haben kann.
Er hegt in seiner Seele reine Triebe;
kurz: Leib und Geist ist Gott geweiht.
Arie
Sopran: Weg kurze Freude dieser Welt!
Du kannst mich zwar in Unruh’ setzen,
mit nichten aber recht ergötzen.
Ich wähle das, was Gott gefällt.
Ich will beständig an Ihm hangen;
nichts stillt mein eifriges Verlangen,
als was mir Seine Huld erhält.
Weg kurze Freude dieser Welt!
Choral [5. Strophe des Liedes Warum willst du draußen stehen von Paul Gerhardt]
In der Welt ist alles nichtig,
nichts ist, das nicht kraftlos wär’.
Hab ich Hoheit, die ist flüchtig,
hab ich Reichtum, was ist’s mehr
als ein Stücklein armer Erd’?
Hab ich Lust, was ist sie wert?
Was ist, das mich heut erfreuet,
dass mir morgen nicht gereuet?
Rezitativ
Alt: Es wünschet sich ein Christ,
aus heiligem Verlangen
Den zu umfangen,
der aller Liebe Ursprung ist;
nur bald in Friede zu den Scharen
erlöseter Gerechten hinzufahren.
Arioso
Wo keine Schwachheit mehr den Geist
von Gott und seiner Liebe reißt.
Arie
Tenor: Erwünschte Todesstunden!
eilt, führt mich in das Land,
wo meine Liebe thronet,
wo Ruh’ und Friede wohnet.
O! trennet nur das Band,
das Leib und Geist verbunden.
Erwünschte Todesstunden,
führt mich in dieses Land.
Choral [18. und 19. Strophe des Liedes Den die Engel droben mit Gesange loben von Caspar Ziegler und Johann Anastasius Freylinghausen]
Lass mich diesem Leben
endlich Abschied geben.
Hier ist mein Verderben:
mich verlangt zu sterben.
Mich verlangt zu wohnen,
Herr, bei deinen Thronen,
dass ich in der Nähe
Gott und Menschheit sehe.
Rezitativ
Tenor: Jedoch er übergibt
sich allezeit des Höchsten Willen,
wenn Seiner Weisheit nicht beliebt
das, was er wünschet zu erfüllen.
Und nähert sich die Sterbenszeit,
so geht er als ein Glaubensheld
aus dieser Welt
zu jener großen Herrlichkeit.
Arie
Bass: Da rühmt er die Gnade, da preist er die Treu,
mit jauchzendem Singen und frohem Geschrei.
Tutti: O! stimmten wir alle
mit fröhlichem Schalle
den Liedern vollendeter Gläubigen bei!
Sie leben in Freuden,
sie spüren kein Leiden.
Sie rühmen die Gnade, sie preisen die Treu
mit jauchzendem Singen und Siegesgeschrei.
Choral [3. Strophe des Liedes Wachet auf, ruft uns die Stimme von Philipp Nicolai]
Bass: Gloria sei Dir gesungen:
Tutti: mit Menschen und englischen Zungen,
mit Harfen und mit Zimbeln schon.
Bass: Von zwölf Perlen sind die Pforten
Tutti: an Deiner Stadt. Wir sind Konsorten
der Engel hoch um Deinen Thron.
Bass: Kein Aug’ hat je gespürt,
Tutti und Bass: kein Ohr hat je gehört
Tutti: solche Freude.
Des sind wir froh:
jo, jo!
ewig in dulci jubilo.